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Rudolf Eucken vergleicht die Aufstiege und Abstiege des Lebens

Jede Lebensgestaltung muss sich am Dasein des Menschen erproben. Sie tut dies, indem sie dem Einzelleben eine spannende Aufgabe stellt, ihm einen inneren Zusammenhang gibt, es den Widersprüchen entreißt, die es zu zerstören drohen. Diese Widersprüche wurzeln laut Rudolf Eucken vornehmlich darin, dass der Mensch als denkendes Wesen über die bloße Natur hinauswächst und bei ihr kein Genüge mehr findet. Der Durchschnitt seines Daseins zeigt die geistige Tätigkeit allerdings nicht stark genug, um ein neues Leben hervorzubringen. Rudolf Eucken, der im Jahr 1908 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, schreibt: „So schwebt der Mensch in unsicherer Mitte, und da die Versuche einer Hilfe sich bald als unzulänglich erweisen, so endet das ganze schließlich in trüber Resignation; das Leben erscheint, um mit Schopenhauer zu reden, als ein Geschäft, das seine Kosten nicht deckt.“

Erwachsene empfinden die Kindheit wie ein verlorenes Paradies

Der Verlauf des Lebens durch die verschiedenen Lebensalter hindurch, wie die Erfahrung Rudolf Eucken zeigt, stellt sich zunächst als ein Aufstieg, dann aber als ein Abstieg dar, damit aber als ein überwiegender Verlust, als eine schwere Enttäuschung. Beim Eintritt in das Leben wird der Mensch in der Regel vom engen Kreise der Seinigen freudig begrüßt und zärtlich gepflegt. Auch den Weg des Heranwachsenden beleiten Liebe und Güte, und so wenig kleine Sorgen und Schmerzen fehlen, stören diese nicht an der Daseinsentfaltung und der Lust am Leben.

Da die Abhängigkeit noch nicht drückend wirkt, so entwickelt das Kindesalter laut Rudolf Eucken einen Stand harmlosen Glückes, nach dem der Erwachsene im späteren Leben oft wie nach einem verlorenen Paradies zurückblickt. Dann aber regt sich ein Verlangen nach voller Selbstständigkeit, der Mensch drängt ins Freie und Weite, er sucht seine eigenen Wege und schließt in Freundschaft und Liebe selbstgewählte Beziehungen. Neue Triebe erwachen, neue Wünsche kommen an die Oberfläche, die zunehmende sinnliche Kraft führt auch dem geistigen Leben fruchtbare Antriebe zu.

In der Zeit der Arbeit verfliegt der Sturm und Drang der Jugend

Ins Unendliche geht hier die menschliche Sehnsucht und Hoffnung, unbegrenzte Möglichkeiten stellen sich zur Wahl vor den strebenden Geist. Es entsteht ein Gefühl, dass erst jetzt die Welt ihren Lauf recht beginne, jetzt erst Lust und Liebe ihren ganzen Zauber entfalten. Die Vergangenheit erscheint nur als bloße Vorstufe dessen, was nun an den Punkt der Entscheidung kommt, jetzt wird die Zukunft geschmiedet, jetzt allen folgenden Zeiten der Weg gewiesen. Ein freudiges Bewusstsein der eigenen Kraft treibt das Leben voran.

Aus der Zeit der Entwürfe und Pläne tritt der Mensch anschließend in die Zeit der Arbeit ein. Nun gilt es selbst tätig zu werden und seine Begabungen und Talente im Beruf einzubringen. Das bringt allerdings eine gewisse Verengung des Lebens, ein Einlenken in eine ruhige Bahn. Rudolf Eucken ergänzt: „Aber wenn der Sturm und Drang der Jugend verfliegt, so verflicht sich das Leben enger mit seiner Umgebung und gewinnt es einen festeren Boden; die Ziele stehen klarer vor Augen, und das Wirken gewinnt an Sicherheit.“

Von Hans Klumbies

 

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