Die Erwartung ist der Schlüssel
Wie kann es sein, dass manchmal genau das eintrifft, was man am meisten fürchtet und am wenigsten will? Eine Studie im „British Medical Journal“, die Sigi Heidi Hohner in der letzten Zeit sehr beeindruckt hat, wurde an 500 Menschen im Alter von 70 bis 90 Jahren durchgeführt und untersuchte, wie oft die Probanden stürzten und sich dabei verletzten. Sigi Heidi Hohner zitiert: „Das Erstaunliche: Die Senioren, die Angst davor hatten zu stürzen, waren genau die, die das dann auch taten. Die negative Erwartung führte dazu, dass sie häufiger verunglückten.“ Das, wovor die älteren Herrschaften am meisten Angst hatten, trat tatsächlich ein, als hätten sie es magnetisch angezogen. Die hinter solchen Manifestationen steckende Gesetzmäßigkeit nennt sich die „selbsterfüllende Prophezeiung“. Sigi Heidi Hohner fragt: „Wie kann eine solche Prophezeiung wahr werden? Handelt es sich dabei um Magie, Schicksal oder Zufall?“
Menschen sind keine Prophezeiungen ausgeliefert
Weder noch: Es liegt an den Erwartungen, entweder den eigenen oder denen der Umwelt. Diese führen dazu, dass man sich bewusst oder unbewusst genauso verhält, dass sie eintreten. Man macht sie also selbst wahr, oft ohne es zu wollen. Mit dem eigenen Körper ist es oft genauso: Hält ein Mensch eine anstehende Veränderung wie beispielsweise eine Gewichtszunahme in den Wechseljahren oder nach einem Nikotinentzug als quasi unausweichlich, dann ist es oft das eigene Verhalten, das dazu führt, dass dieser Effekt verstärkt wird.
Sind Menschen also solchen Prophezeiungen ausgeliefert? Nein: Es besteht überhaupt kein Grund, sich von einer derartigen Gesetzmäßigkeit einschüchtern zu lassen. Jeder hat darauf sehr viel mehr Einfluss, als es zuerst den Anschein hat. Sigi Heidi Hohner betont: „Denn das Gute ist: Die selbsterfüllende Prophezeiung funktionier in beide Richtungen – auch in eine positive.“ Denn die Erwartung ist der Schlüssel: Es kommt darauf an, ob man sich auf eine Sache mehr freut oder Angst vor ihr hat.
Negative Erwartungen kann man in positive verändern
Die positive selbsterfüllende Prophezeiung wurde 1968 von dem amerikanischen Psychologen Robert Rosenthal nachgewiesen. Auf der anderen Seite kann manchmal sinnvoll sein, sich von bestimmten negativen Erwartungen frei zu machen – seien es angekündigte wirtschaftliche Nachteile, steigernde Energiepreise oder nur der Glaube, dass zwei Bier am Tag irgendwann zwangsläufig zu einem Bauch führen werden. Sigi Heidi Hohner stellt fest: „Denn eine negative Erwartung können wir durchaus verändern und zu einem Happy End umprogrammieren.“
Der erste Schritt, um sicherzustellen, dass negative Prophezeiungen für einen selbst nicht eintreten, ist erst einmal, ehrlich zu sich selber zu sein. Nur wer sich dessen bewusst ist, was er insgeheim befürchtet, kann es auch verändern. Sigi Heidi Hohner rät: „Wenn Sie merken, dass in Ihrem Kopf zu schnell „Worst-Case-Szenarien“ herumschwirren, können Sie sich mit einem einfachen psychologischen Trick helfen: Schreiben Sie das Ende um – vom „Worst-Case“ zum „Best-Case“. Quelle: „Die Erwartung ist der Schlüssel“ von Sigi Heidi Hohner in der „Münchner Abendzeitung“ vom 5./6. November 2022
Von Hans Klumbies