Zwangsstörungen führen zu Kontrollverlust
Händewaschen kann die Angst vor Infektionen oder Schmutz beruhigen und spielt aktuell gerade in Zeiten von Corona eine wichtige Rolle bei prophylaktischen Hygienemaßnahmen. Wenn die Angst vor einer möglichen Infektion jedoch bald wieder da ist muss man erneut die Hände waschen. Heinz-Peter Stöhr stellt fest: „Ständiges Händewaschen führt zu einer Zwangsstörung mit typischen Kontrollverlusten. Patienten mit Waschzwang müssen ihre Hände täglich viele Male waschen.“ Emotional stabile Menschen nehmen sinnvolle Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen in Anspruch, etwa Händewaschen. Emotional instabile Menschen entwickeln dagegen leicht übertriebene Ängste, zum Beispiel vor Infektionen. Das häufige Händewaschen ist jedoch das falsche Beruhigungsmittel. Perfektionismus fördert letztlich die Ängste, da man nie gut genug ist und es keine absolute Sicherheit geben kann. Heinz-Peter Röhr ist Pädagoge und war über dreißig Jahre lang in der Fachklinik Fredeburg/Sauerland für Suchtmittelabhängige psychotherapeutisch tätig.
Schuldgefühle kann man nicht abwaschen
Da Beruhigung nicht wirklich funktioniert, werden die Beruhigungsversuche intensiviert. Letztlich muss der Beruhigungsversuch scheitern. Jetzt hat der Betroffene zwei Probleme. Die übertriebene Angst vor Infektionen, die durch häufiges Händewaschen stärker wird, und den Kontrollverlust über das Händewaschen. Diesbezüglich entwickeln sich Selbstvorwürfe und Schuldgefühle. In diesem Teufelskreis wird die emotionale Stabilität weiter geschwächt. Der Ursprung war die übertriebene Angst vor Infektionen.
Für eine Behandlung wäre hier anzusetzen. Heinz-Peter Röhr weiß: „Für Betroffene ist es zunächst extrem schwer, auf ihr Beruhigungsmittel Händewaschen zu verzichten, da sich unweigerlich starke Ängste einstellen.“ Hinter einen Waschzwang steht auch nicht selten der Versuch, Schuldgefühle zu bewältigen. Der uralte Spruch „Die Hände in Unschuld waschen“ zeigt die Beziehung zwischen Schuld und sich reinwaschen. Objektiv gesehen ist jedoch klar, dass man Schuldgefühle nicht abwaschen kann.
Sexueller Missbrauch kann zu einem Waschzwang führen
Sich beschmutzt fühlen, etwa nach sexuellem Missbrauch, kann ebenfalls zu einem Waschzwang führen, denn auch hier ist es nicht möglich, das Geschehene abzuwaschen. Zu erkennen sind die Versuche, mit falschen Mitteln der Angst vor Infektion oder Beschmutzung Herr zu werden. Die Therapie geht den umgekehrten Weg. Betroffene werden mit Schmutz und Dreck an den Händen konfrontiert und spüren bald, dass die Angst schwindet, wenn man sich bewusst mit ihr auseinandersetzt.
Im Vorfeld von Kontrollverlusten geht es um ein Verhalten oder um Gefühle, die eine Beruhigung, Erleichterung oder Stimulierung erzeugen sollen. An vielen Beispielen lässt sich zeigen, dass ein typisches Missbrauchsverhalten stattgefunden hat. Heinz-Peter Röhr erklärt: „Damit ist gemeint, dass Betroffene versuchen, unangenehmen Gefühlen mit untauglichen Mitteln aus dem Wege zu gehen. Da dies nicht zum erwünschten Erfolg führt, wird der Einsatz gesteigert.“ Über Konditionierung wird die Wahrscheinlichkeit weiterer Kontrollverluste programmiert. Meist genügen dann bestimmte Auslöser, die den Selbstläufer initiieren. Quelle: „Vom klugen Umgang mit Gefühlen“ von Heinz-Peter Röhr
Von Hans Klumbies