Wilhelm Reich baute den Orgonakkumulator
Der in Österreich geborene, unkonventionelle psychoanalytische Theoretiker und Marxist Wilhelm Reich gelangte in Amerika als ein Prophet der sexuellen Befreiung zu großem Ruhm. In „The Invasion of Compulsory Sex-Morality schreibt er: „Eine sexuelle Revolution ist auf dem Vormarsch, und keine Macht der Erde wird sie aufhalten können.“ Während der 1930er Jahre hatten Mitglieder der Frankfurter Schule, auch Herbert Marcuse und Erich Fromm, Wilhelm Reichs Schriften gelesen. Und die im Zusammenhang damit entstandene Darstellung des Faschismus war auch tatsächlich von Wilhelm Reichs Buch „Massenpsychologie des Faschismus“ beeinflusst. Wilhelm Reich ging 1939 in die USA ins Exil und entwickelte dort seinen „Orgonakkumulator“, einen hölzernen, metallgefütterten, mit Stahlwolle isolierten Schrank. Stuart Jeffries arbeitete zwanzig Jahre für den „Guardian“, die „Financial Times“ und „Psychologies“.
Viele Schriftsteller rühmten die Wohltaten des Orgonakkumulators
Albert Einstein, den Wilhelm Reich eingeladen hatte, den Akkumulator auszuprobieren, war skeptisch hinsichtlich der Behauptung seines Erfinders, das Gerät könne die „orgiastische Potenz“ des Benutzers und in Verbindung damit seine geistige Gesundheit verbessern. Viele führende amerikanische Schriftsteller der Nachkriegszeit hingegen rühmten die Wohltaten, die man beim Gebrauch von Wilhelm Reichs Schrank genoss. Darunter waren Norman Mailer, J. D. Salinger, Saul Bellow, Allen Ginsberg und Jack Kerouac.
Später veröffentlichte William Burroughs einen Zeitungsartikel unter dem Titel: „Sämtliche Akkumulatoren, die ich je besaß“: „Ihr unerschrockener Reporter gelangte im Alter von 37 Jahren in einem Orgonakkumulator, der in einem Orangenhain in Pharr, Texas, aufgestellt war, zu einem spontanen Orgasmus ohne manuelle Unterstützung.“ Der Regisseur Woody Allen stellt die Apparatur in seinem Film „Der Schläfer“ aus dem Jahr 1973 als Orgasmatron satirisch dar. Darüber, dass es zu einem Zugewinn an orgiastischer Potenz bei Frauen kam, hat man jedoch nichts erfahren.
Wilhelm Reich machte sich für die sexuelle Befreiung stark
Mitte der 1950er Jahre geriet Wilhelm Reich, der unter paranoiden Wahnvorstellungen von UFO-Angriffen auf die Erde litt, allerdings unter Beobachtung durch die Food and Drugs Administration. Die Behörde begründete dies damit, er stelle falsche Behauptungen über den Orgonakkumulator auf. Warum empfand ihn die US-Regierung als solche Gefahr? Eine mögliche Antwort wäre, dass die sexuelle Befreiung, für die sich ein marxistischer Psychoanalytiker stark machte, in einem zunehmend paranoiden Amerika auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges als eindeutige, akute rote Gefahr angesehen wurde.
Ebenso möglich ist, dass Wilhelm Reichs Vorstellung einer sexuellen Befreiung eine Bedrohung der in Amerika so hochgeschätzten Werte wie Arbeitsethik und Monogamie darstellte. Eine dritte mögliche Antwort: Ein Scharlatan, der mit seiner Wunderkur Geld macht, ist für jedes Gemeinwesen untragbar. Wilhelm Reich starb im November 1957 im Lewisburg Federal Penitentiary in Pennsylvania an einem Herzanfall, wo er zwei Jahre einsaß, weil der gegen die Verfügung verstoßen hatte, seine Machine zu vermieten oder zu verkaufen. Quelle: „Grand Hotel Abgrund“ von Stuart Jeffries
Von Hans Klumbies