Veränderungen sorgen für Irritationen
Reflexion hilft. Was will man damit erreichen, wenn man einem Menschen seine Meinung sagt? Hadija Haruna-Oelker fügt hinzu: „Bin ich im Gegenzug bereit, in einer Diskussion meine eigenen Meinungen und Gründe zu überprüfen, oder geht es mir nur darum, meine Position zu behaupten?“ In Talkshows über Diskriminierung zu sprechen ohne Diskriminierte einzuladen, ist ein simples und oft genanntes Beispiel dafür, wie es nicht gehen kann. Es passiert jedoch andauernd. Immer wieder fällt das Stichwort der Repräsentation, also dass von etwas Betroffene zu Wort kommen sollen, ohne die Opferrolle zugewiesen zu bekommen. Es ist ein Begriff, der nicht nur auf Darstellung verweist, sondern auch auf die politische Vertretung. Hadija Haruna-Oelker lebt als Autorin, Redakteurin und Moderatorin in Frankfurt am Main. Hauptsächlich arbeitet sie für den Hessischen Rundfunk.
Die Frage nach Repräsentation ist keine neue
Es geht nicht alleine um diversitätsbewusste Werbebilder, sondern welche Menschen über die Aussagen entscheiden. Hadija Haruna-Oelker ergänzt: „Wenn es um die Frage von Zugängen geht, genügt es nicht mehr, das Thema als nice to have auszulagern, sondern es geht darum, daraus ein Querschnittsthema zu machen.“ Es ist die Frage von Perspektiven, Interessen, von Routinen und Abläufen, von Werten, die verändert werden, um am Normal zu rütteln. Veränderung ist möglich, und an den Orten, wo sie bereits stattfindet, sorgt sie für Irritation, weil alles noch neu scheint.
Dabei ist die Frage nach Repräsentation keine neue. Sie wurde bereits in den 90er Jahren unter dem Begriff „Repräsentationskritik“ verhandelt, als die Frauenbewegung aufzeigte, dass weiblich gelesene Personen die vom Patriarchat gesetzten Grenzen überschreiten und an allen Orten teilhaben wollen. Hadija Haruna-Oelker erklärt: „Wie mit Differenz umgehen, war damals wie heute die Frage, weil es jetzt nicht nur darum geht, mehr Frauen in die Reihen mitaufzunehmen, sondern auch Schwarze, non-binäre, transgender und behinderte Menschen mitzudenken, anzuhören und einzuladen.“
Es braucht ein konsequentes Einfordern nach Veränderung
Es geht darum, anzuerkennen, dass, wer über diese Tatsachen und über damit verbundene Macht und Strukturen nicht reden möchte, fest im Sitz und Besitz bleibt. Hadija Haruna-Oelker erläutert: „Wer im Beharren auf Authentizität Einzelnen pauschal abspricht, neutral sein zu können, weil sie von etwas betroffen sind, reklamiert für sich selbst eine machtvolle Position.“ Gleichgewicht herzustellen ist nicht abwertend, sondern wertet auf. Man muss den Versuch vollständiger Repräsentation unternehmen.
Es ist nicht zwingend notwendig, „betroffen“ zu sein, um ein Gefühl für Differenzerfahrungen zu entwickeln. Hadija Haruna-Oelker betont: „Auch nicht von etwas betroffene Menschen können ein Wissen, Empathie und Sensibilität für etwas entwickeln. Sie können Themen besprechen, nur eben nicht für die anderen sprechen.“ Der Wunsch nach Veränderung alleine genügt nicht. Es braucht ein dauerhaftes, beharrliches und konsequentes Einfordern. Es ist der Versuch, den anderen einen Platz zu schaffen, damit sie dabei sind. Quelle: „Die Schönheit der Differenz“ von Hadija Haruna-Oelker
Von Hans Klumbies