Vertrauen ist der Motor für die menschliche Kooperation
Spontaneität sowie automatisches und schnelles Reagieren gehören zu den wichtigsten Merkmalen emotionaler Rückmeldungen. Eyal Winter ergänzt: „In vielen Fällen ist schnelles Reagieren sogar einer der Vorteile, den emotionales Verhalten gegenüber bedächtigem Abwägen birgt.“ Schnelligkeit und Unwillkürlichkeit von Reaktionen sind im sozialen Umfeld äußerst wichtig. Vertrauen ist ein Motor für die Kooperation zwischen einzelnen Menschen. Kooperation wiederum ist ein Antrieb zu wirtschaftlichem Wachstum und gesellschaftlichem Wohlergehen. Und Vertrauen setzt Glaubwürdigkeit voraus. Ohne Glaubenswürdigkeit kann auf lange Sicht kein Vertrauen bestehen; und ohne Vertrauen wird Glaubwürdigkeit schließlich zerstört. Wenn in einem sozialen Umfeld praktisch kein Vertrauen existiert, ist es sinnlos, Glaubwürdigkeit aufbauen oder aufrechterhalten zu wollen. Eyal Winter ist Professor für Ökonomie und Leiter des Zentrums für Rationalität an der Hebräischen Universität von Jerusalem.
In Gesellschaften gibt es zwei Formen des Gleichgewichts
In einer solchen Situation ist man besser beraten, ein egoistisches und unzuverlässiges Verhalten anzunehmen. In Gesellschaften und Nationen lassen sich zwei Formen des Gleichgewichts unterscheiden: Bei einem „guten“ Gleichgewicht vertrauen die Menschen einander und verhalten sich in verlässlicher und kooperativer Weise. Bei einem „schlechten“ Gleichgewicht schenken die Menschen einander kein Vertrauen, was dazu führt, dass dieser Mangel an Vertrauen als Rechtfertigung dafür dient, nicht vertrauenswürdig zu handeln, weil dafür keine Notwendigkeit erkannt wird.
Eyal Winter erklärt: „Unter Ökonomen ist man sich uneins in der Frage, ob diese Gleichgewichte durch Zufallsprozesse entstehen oder von bestimmten Ausgangsbedingungen abhängen.“ Trifft Ersteres zu, ist der Unterschied zwischen den heutigen Verhältnissen beispielsweise in Angola und der Schweiz auf einstige Zufallsergebnisse zurückzuführen. Die Vertreter der gegenteiligen Ansicht argumentieren, bestimmte Ausgangsbedingungen wie etwas klimatische, geologische und kulturelle Faktoren sorgten dafür, welche Art von Gleichgewicht in einem Land letztendlich herrscht.
Bei der Konvergenztheorie entwickeln sich Gesellschaften auf ein Idealbild hin
Natürlich ist nichts von alldem von Belang, wenn es möglich ist, das schlechte Gleichgewicht einer Gesellschaft in ein gutes zu verwandeln. Eyal Winter erläutert: „Die These, wonach sich eine Gesellschaft auf ein Idealbild hin entwickelt, wird auch als „Konvergenztheorie“ bezeichnet.“ Hierüber herrscht jedoch noch größere Uneinigkeit unter den forschenden Ökonomen. Verfechter der Konvergenztheorie gehen davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Angola ein gutes Gleichgewicht erlangt, dass seinen Bürgern einen Lebensstandard beschert, der dem der Schweizer entspricht.
Ihre Gegner behaupten, solche Gleichgewichte könne man nur sehr schwer verändern. Die Szenarien für einen Wechsel von einem guten zu einem schlechten Gleichgewicht kann man sich leichter ausmalen. Eyal Winter nennt Beispiele: „Dazu gehören Lebensmittel- und Wasserknappheit, Krankheiten und Seuchen sowie ein Regierungskollaps; jeder dieser Faktoren könnte den Zusammenbruch der Sozialordnung eines Landes herbeiführen.“ Es scheint indes besonders schwer, von einem schlechten zu einem guten Gleichgewicht überzugehen. Quelle: „Kluge Gefühle“ von Eyal Winter
Von Hans Klumbies