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Viele Jobs fühlen sich sinnlos an

Für viele Menschen ist es schwer, in ihrer Arbeit eine „Balance“ zu finden. Und es ist dabei nicht nur die schiere Masse an Arbeit, die das verhindert. Ingo Hamm weiß: „Es ist auch die gefühlte Sinnlosigkeit vieler Jobs.“ Theo Weber, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der ETH Zürich sagt: „Es fehlt der intrinsische Aufforderungscharakter, die Sinnkomponente. Wenn die Berufstätigen nicht mehr das Gefühl haben, ganzheitlich tätig zu sein, Probleme zu lösen, etwas bewirken zu können, dann brauchen sie immer stärkere äußere Anreize.“ Wie höherer Lohn, schicker Dienstwagen, allerlei monetäre und nicht-monetäre Benefits. Oder eben den noble Purpose, der von den Zweckoptimisten als größte Kanone der Motivation betrachtet wird. Dr. Ingo Hamm ist Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Darmstadt.

Selbst die Freizeit steht unter Leistungsdruck

Theo Weber fährt fort: „Wer aber Gestaltungsfreiraum und Entscheidungsfreiheit hat bei seinem Tun und in der Tätigkeit Befriedigung findet, der muss nicht künstlich motiviert werden.“ Der Purpose soll also retten, was nicht mehr zu retten ist. Hier fällt die Wirtschaft auf ihr eigenes Marketing-Paradigma herein. Im Vorgarten fault zwar ein stinkender, 20 Meter hoher Misthaufen. Aber wenn man diesen mit einem höheren Sinn etikettiert, ignorieren die Mieter vielleicht den üblen Gestank.

Das tun sie nicht – meint zumindest Theo Weber. Sie kommen vielmehr zu der Überzeugung: „Job ist Job, den Genuss hole ich mir in der Freizeit, …was dazu führt, dass wir sogar in der Freizeit unter Stress und Leistungsdruck stehen. Dieses Modell funktioniert immer weniger, weil die Arbeitsgesellschaft so dominant geworden ist, dass sie alle anderen Lebensbereiche synchronisiert.“ Die Work-Life-Balance haben viele Angestellte längst abgeschrieben. Sie sind froh, wenn sie noch einigermaßen die Work-Work-Balance hinbekommen.

Junge Menschen mögen keine Überhöhung der Arbeit

Die Arbeitswelt neigt dazu, die Berufstätigen aufzufressen – Laptops und Smartphones helfen ihr dabei. Es ist paradox. Ingo Hamm fragt: „Ist der Purpose Opium des Volks?“ Zu dieser ernüchternden Schlussfolgerung müsste man nach dem bisher Gesagten nolens volens kommen. Vielleicht sollte man das auch. Danach hat der Noble Purpose nichts Nobles an sich, sondern fungiert als nahezu metaphysische Ersatzreligion moderner Arbeit. Oder wie es eine Betriebsrätin ausdrückt: „Wenn man den Arbeitnehmern nicht mindestens das Himmelreich verspricht, machen sie´s nicht mehr.“

Dabei wird immer so getan, als ob die Millennials, die Generationen Y und Z es unbedingt so wollen. Ingo Hamm vermutet: „Vielleicht suchen gerade junge Menschen nicht unbedingt diese zwanghafte Überhöhung der Arbeit.“ Doch sie bekommen sie gratis geliefert. Man könnte nun sagen: Selber schuld, wer darauf reinfällt! Doch Victim Blaming, Opferverhöhnung, ist keine schöne Sportart. Denn diese künstliche und kunstvolle Überhöhung der Arbeit ist nachgerade ungesund. Quelle: „Sinnlos Glücklich“ von Ingo Hamm

Von Hans Klumbies

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