Vor allem Männer neigen zur Bindungsangst
Einige Wissenschaftler vertreten die These, dass es zwei große Umbrüche im heterosexuellen Beziehungsverhalten der letzten vier Millionen Jahre gegeben hat. Der erste passierte vor 10.000 bis 15.000 Jahren mit der landwirtschaftlichen Revolution. Als die Menschen weniger herumzuziehen begannen und sesshafter wurden, führte das zu Heiratsverbindungen im Stil kultureller Verträge. Der zweite große Umbruch ist mit dem Aufstieg des Internets verbunden. Junge Menschen in New York und anderen Metropolen stürzen sich über das Internet entfesselt in unverbindliche Beziehungen, entbunden von der Angst, mit einer direkten Absage abgewatscht zu werden. Wie zum Beispiel beim Anbaggern im Club oder sonst wo, auch noch in aller Öffentlichkeit. Maximilian Probst ergänzt: „Der Kommunikationsprozess ist ja auch so unendlich einfach, manche würden sagen: verflacht.“ Der Journalist Maximilian Probst schreibt seit 2011 vorwiegend für die Wochenzeitung die „Zeit“.
Es herrscht eine neue Form der Bindungsabneigung
Es gibt keinen hohen Stil mehr und keine Eleganz mehr im Verbergen und Zeigen des Begehrens. Eine Textbotschaft, meist nicht länger als ein Tweet, und schon geht es los. Aber auch beim unverbindlichen Sex gilt, dass das Internet nur eine weitere Zuspitzung der modernen Großstadt-Revolution ist. Maximilian Probst erklärt: „Die moderne Großstadt hat durch ein Überangebot an Beziehungsmöglichkeiten feste Bindungen in die Bredouille gebracht. Das Internet hat es erleichtert, diese Beziehungsmöglichkeiten voll auszuschöpfen, indem die Technik den Menschen wieder einmal unverletzbarer gemacht hat.“
Die Schmach, abgeschmettert zu werden, zerschellt am Panzer einer App, die dem User nur von der Zustimmung berichtet. Sicher scheint für Maximilian Probst zu sein, dass dank des Internets die nun voll ausgeschöpften Beziehungsmöglichkeiten der modernen Großstadt zu einer neuen Form der Bindungsabneigung geführt haben. Wobei zu dieser Bindungsangst, so scheint es jedenfalls, vor allem Männer neigen. Es kommt selten vor, dass eine Frau der jüngeren Generation einen Mann trifft, der sie als eine Priorität behandelt und nicht als eine Option.
Beziehungen unterliegen der rechnenden Vernunft
Maximilian Probst stellt sich die Frage, woher die Bindungsangst von Männern wohl herkommt. Auf der Ebene simpelster Marktlogik mindert ein Überangebot den Wert einer Sache. Maximilian Probst erläutert: „Unter den Bedingungen des Überangebots eine Wahl zu treffen und eine Beziehung zu führen, kann dann nur bedeuten, in das moderne Spiel der rechnenden und vergleichenden Vernunft einzutreten: War die Wahl richtig?“ Wann aber der eigene Marktpreis am höchsten ist, hängt ganz von der Gesellschaft ab, in der man lebt.
Gegenwärtig liegt der Marktpreis eines Mannes zum Beispiel oft dann am höchsten, wenn er seinen Karrieregipfel erreicht. Das ist meist um die fünfzig der Fall. Bei Frauen ist der Marktpreis weniger an die Position im Arbeitsleben gekoppelt. Nach wie vor gilt: Eine Frau erreicht aus Sicht der meisten Männer nur dann ihren höchsten Marktpreis, wenn ihre Physis nicht daran zweifeln lässt, dass ihre biologische Uhr noch tickt. Ab Mitte dreißig beginnt daher ihr Wert auf dem Beziehungsmarkt zu fallen. Quelle: „Verbindlichkeit“ von Maximilian Probst
Von Hans Klumbies